Die Kirchenaustritte Steiermark bleiben trotz eines Rückgangs hoch und prägen religiöses Leben, Gemeindestrukturen sowie wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen in der Region.
Einleitung
Die Steiermark gehört traditionell zu den stark katholisch geprägten Regionen Österreichs. Trotzdem geht die Zahl der Kirchenmitglieder seit Jahren zurück. Ende 2024 lebten in Österreich insgesamt 4,56 Millionen Katholikinnen und Katholiken – das entspricht knapp der Hälfte der Gesamtbevölkerung und liegt deutlich unter den Werten früherer Jahrzehnte.
Ein zentraler Treiber dieser Entwicklung sind Kirchenaustritte. 2024 traten österreichweit 71.531 Menschen aus der katholischen Kirche aus, nachdem bereits 2023 rund 85.000 Austritte verzeichnet wurden. Die Steiermark folgt diesem Trend, weist aber regional eigene Schwerpunkte auf.
Parallel zu den Kirchenaustritten wirken demografische Faktoren wie ein ungünstiges Verhältnis von Taufen zu Sterbefällen und Wanderungsbewegungen. Die Gesamtzahl der Katholikinnen und Katholiken sinkt daher selbst in Jahren mit rückläufigen Austrittszahlen. Der folgende Beitrag beleuchtet aktuelle Zahlen, typische Motive für Austritte und die wirtschaftliche Bedeutung der Kirche in der Steiermark und in Österreich.
Aktuelle Entwicklung der Kirchenaustritte Steiermark und Österreich
Die Entwicklung der Kirchenaustritte in der Steiermark lässt sich nur im Kontext der österreichweiten Zahlen verstehen. Auffällig ist ein gleichzeitiger Rückgang der Austrittszahlen und eine weiterhin stabile Bedeutung der Kirche als Arbeitgeber und Finanzakteur.
Wie viele Menschen treten in der Steiermark aktuell aus der Kirche aus?
Die Diözese Graz-Seckau bildet das Gebiet der Steiermark nahezu vollständig ab. Laut offizieller Statistik waren mit Stichtag 31. Dezember 2024 genau 726.832 Personen Mitglied der katholischen Kirche in der Steiermark – ein Rückgang von rund 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt hat die Kirche im Bundesland 2024 rund 12.192 Mitglieder verloren. Ein wesentlicher Teil dieses Minus geht auf Kirchenaustritte zurück: 11.881 Menschen traten 2024 aus der Kirche aus, 2023 waren es noch 13.419 Austritte.
Dem gegenüber stehen auch positive Bewegungen. Die Diözese meldet 1.150 Wiedereintritte und 120 Widerrufe von Austrittserklärungen. In keinem anderen österreichischen Bistum kehrten 2024 so viele Menschen in die katholische Kirche zurück wie in Graz-Seckau. Dennoch überwiegen die Abgänge. Etwa 57 Prozent der steirischen Bevölkerung gehören noch der katholischen Kirche an, während der Anteil der getauften Personen deutlich höher liegt.
Damit zeigt sich eine doppelte Dynamik: Die formelle Kirchenmitgliedschaft nimmt ab, während kulturell und biografisch viele Menschen weiterhin Spuren kirchlicher Prägung tragen. Für Pfarren und kirchliche Einrichtungen bedeutet das eine schleichende Erosion der Basis, die langfristig Strukturen, Angebote und Finanzkraft verändert.
Wie entwickelt sich die Zahl der Kirchenaustritte in Österreich?
Auf Bundesebene zeichnet die aktuelle Kirchenstatistik ein ähnliches Bild. Ende 2024 zählte die katholische Kirche in Österreich 4.557.471 Mitglieder – im Jahr zuvor waren es noch 4.638.842. Der Rückgang ergibt sich aus der Kombination von Austritten, Sterbefällen und einer vergleichsweise niedrigen Zahl an Taufen.
Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2024 zwar gesunken, aber weiterhin hoch. 71.531 Personen erklärten ihren Austritt aus der katholischen Kirche. In den Jahren zuvor lagen die Werte mit 85.163 (2023), 90.975 (2022) und 72.222 (2021) teilweise deutlich höher. Die aktuelle Entwicklung zeigt eher eine Abflachung der Austrittswelle als eine echte Trendumkehr.
Neben Austritten spielen Eintritte, Wiedereintritte und Erwachsenentaufen eine Rolle. 2024 wurden österreichweit 5.154 Personen neu oder wieder in die Kirche aufgenommen. Diese Zahlen bleiben aber deutlich hinter den jährlichen Austritten zurück. Für die Steiermark bedeutet das: Die regionale Entwicklung ist Teil eines gesamtösterreichischen Strukturwandels, der alle Diözesen betrifft, auch wenn Intensität und zeitliche Verläufe variieren.
Gründe für Kirchenaustritte: Motive hinter den Zahlen
Die reinen Zahlen zu Kirchenaustritten erklären noch nicht, warum Menschen die Kirche verlassen. Studien und Medienberichte zeigen ein Bündel von Motiven, das sich in Österreich in weiten Teilen mit Entwicklungen im übrigen deutschsprachigen Raum deckt.
Warum entscheiden sich Menschen für den Kirchenaustritt?
Kirchensoziologische Analysen und Befragungen verweisen auf einen langfristigen Entfremdungsprozess. An erster Stelle steht häufig ein fehlender oder abgebrochener Bezug zur Kirche. In Auswertungen kirchlicher Statistiken wird dieser Punkt mit rund 60 Prozent als Hauptgrund für den Austritt genannt. Viele Menschen erleben Gottesdienst, Liturgie und kirchliche Sprache nicht mehr als relevant für ihr Alltagsleben.
Ein zweiter Komplex betrifft finanzielle Aspekte. Der Kirchenbeitrag ist in Österreich die zentrale Finanzierungsquelle der Diözesen. Für zahlreiche Mitglieder ist er aber auch ein Anlass, die eigene Zugehörigkeit zu hinterfragen. Medienberichte und Beratungsstellen zum Kirchenaustritt weisen regelmäßig darauf hin, dass die laufende Beitragspflicht gerade in wirtschaftlich angespannten Phasen als Belastung empfunden wird.
Hinzu kommen moralische und institutionelle Gründe. Immer wieder genannte Motive sind der Umgang der Kirche mit Fragen von Sexualmoral, Rolle der Frau, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Machtstrukturen. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Fälle sexuellen Missbrauchs und deren Aufarbeitung. Für viele Betroffene und Beobachter bleibt das Vertrauen nachhaltig belastet.
In der Steiermark wirkt sich diese Gemengelage ähnlich aus wie in anderen Bundesländern. Der Austritt selbst ist rechtlich ein einfacher Verwaltungsakt bei Gemeindeamt oder Bezirkshauptmannschaft. Die Entscheidung entsteht jedoch meist über Jahre. Sie reift im Spannungsfeld von Biografie, Weltbild, finanzieller Situation und persönlicher Glaubenspraxis.
Gesellschaftliche und kirchliche Folgen der Kirchenaustritte
Kirchenaustritte verändern nicht nur statistische Kennzahlen. Sie wirken sich direkt auf Pfarren, Ehrenamt, regionale Identität und die Präsenz kirchlicher Einrichtungen aus.
Was bedeuten Kirchenaustritte für Gemeinden in der Steiermark?
Auf Pfarrebene führen sinkende Mitgliederzahlen zu einer schrittweisen Verknappung von Ressourcen. Weniger Mitglieder bedeuten langfristig weniger Kirchenbeiträge, weniger freiwillige Spenden und eine geringere Basis für ehrenamtliches Engagement. In der Steiermark umfasst die Diözese 388 Pfarren, die in acht Regionen und 48 Seelsorgeräume gegliedert sind. Diese Struktur lebt von Menschen, die Zeit, Geld und Kompetenz einbringen.
Für viele Gemeinden sind Pfarrkirche, Pfarrheim und kirchliche Feste identitätsstiftende Orte. Wenn die aktive Beteiligung sinkt, geraten traditionelle Formen von Gemeinschaft unter Druck. Gleichzeitig zeigen die Zahlen zu Wiedereintritten in Graz-Seckau, dass Menschen in bestimmten Lebensphasen wieder Anschluss suchen, etwa rund um Taufe, Hochzeit oder Krisensituationen.
Die Kirche reagiert mit strukturellen Anpassungen. Seelsorgeräume, Kooperationen zwischen Pfarren und neue Formen pastoraler Dienste sollen sicherstellen, dass Gottesdienste, Sakramente und Seelsorge weiterhin verfügbar bleiben. Die Herausforderung besteht darin, mit weniger Mitgliedern eine flächendeckende Präsenz zu halten und gleichzeitig Angebote zu entwickeln, die Menschen mit schwacher Bindung erreichen.
Für die steirische Gesellschaft insgesamt bedeutet der Rückgang der Kirchenmitgliedschaft, dass traditionelle Selbstverständlichkeiten – etwa kirchliche Rituale bei Lebensübergängen – an Gewicht verlieren. Gleichzeitig bleibt die Kirche in Bildung, Sozialarbeit und Kultur weiterhin eine bedeutende Institution.
Wirtschaftsfaktor Kirche in der Steiermark
Neben der geistlichen und sozialen Rolle ist die katholische Kirche in der Steiermark auch ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Sie tritt als Arbeitgeberin, Investorin, Immobilienbesitzerin und Trägerin sozialer Einrichtungen auf.
Wie groß ist der wirtschaftliche Beitrag der Kirche in der Steiermark?
Die Diözese Graz-Seckau weist für das Jahr 2024 Einnahmen von rund 129 Millionen Euro aus. Rund 80 Millionen Euro davon stammen aus dem Kirchenbeitrag. Weitere Erlöse kommen aus Vermietung, Verpachtung, der Bewirtschaftung kirchlicher Grundstücke sowie aus diversen Zuschüssen. Das Finanzergebnis war positiv, ein Überschuss von 2,4 Millionen Euro wurde wieder für kirchliche Aufgaben verwendet.
Der größte Teil der Ausgaben – rund 56 Prozent – fließt in Pfarren und Seelsorge. Weitere Schwerpunkte bilden der Erhalt von Kulturgut, Bildungsarbeit, Kunst und Kultur sowie karitative Leistungen und Unterstützung für die Weltkirche. In der Steiermark betreibt die Kirche Kindergärten, Schulen, Bildungshäuser und zahlreiche Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Diese Institutionen sichern qualifizierte Arbeitsplätze und lösen zusätzliche Nachfrage in Bereichen wie Bau, Handwerk, Gastronomie und regionalem Tourismus aus.
Ein besonders gewichtiger Akteur ist der Trägerverbund der Kirche im Bereich Sozial- und Pflegearbeit. In Österreich berichtet eine Studie, dass rund 6,65 Milliarden Euro an direkter, indirekter und induzierter Wertschöpfung jährlich von 158.000 Beschäftigten in der katholischen Kirche und deren Umfeld erwirtschaftet werden. Damit wird für die Steiermark erkennbar: Die regionale Kirche ist Teil eines gesamtösterreichischen Netzwerks, das weit über den engeren religiösen Bereich hinauswirkt.
Kirchenaustritte können diesen Verbund langfristig verändern, weil sie die zentrale Finanzierungsbasis über den Kirchenbeitrag schmälern. Kurzfristig wirken dem allerdings Effizienzsteigerungen, Rücklagen und öffentliche Ko-Finanzierungen entgegen.
Wirtschaftsfaktor Kirche in Österreich
Um die Rolle der Kirche in der Steiermark einzuordnen, lohnt sich der Blick auf die österreichweite Ebene. Hier liegen ausführliche Studien zu Beschäftigung, Wertschöpfung und fiskalischen Effekten vor.
Welche Rolle spielt die Kirche für Wirtschaft und Arbeitsmarkt?
Eine umfassende Studie analysiert die katholische Kirche als Wirtschaftsfaktor in Österreich. Auf Basis von Daten liegt sie bei einer direkten, indirekten und induzierten Bruttowertschöpfung von 6,65 Milliarden Euro pro Jahr. Etwa 158.000 Personen arbeiten demnach in Tätigkeiten, die mit der katholischen Kirche in Zusammenhang stehen – das entspricht rund 123.000 Vollzeitstellen. Damit gehört die Kirche zu den größten Arbeitgeberinnen außerhalb der klassischen Privatwirtschaft.
Der Staat profitiert gleichzeitig von Steuereinnahmen und Sozialabgaben. Laut Studie fließen jährlich rund 3,35 Milliarden Euro aus Steuern und Abgaben der kirchlichen Einrichtungen an die öffentliche Hand zurück. Dem stehen Aufwendungen von rund 3,48 Milliarden Euro gegenüber, vor allem in Form von Leistungskäufen und Subventionen. Der Nettoaufwand des Staates liegt damit bei etwa 130 Millionen Euro, während der gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen der kirchlichen Leistungen auf 8,49 Milliarden Euro geschätzt wird.
Für die Steiermark bedeutet das: Die regionale Kirche ist Teil eines gesamtösterreichischen Netzwerks, das weit über den engeren religiösen Bereich hinauswirkt. Kirchenaustritte schwächen nicht nur die religiöse Bindung, sondern treffen mittelbar auch einen Wirtschaftssektor, der vor allem im Bildungs-, Sozial- und Pflegebereich wichtige Lücken schließt.
Kernfakten im Überblick
| Aspekt | Steiermark | Österreich gesamt |
|---|---|---|
| Aktuelle Kirchenaustritte | 11.881 Austritte im Jahr 2024 in Graz-Seckau | 71.531 Austritte im Jahr 2024 |
| Mitgliederentwicklung | 726.832 Katholikinnen und Katholiken Ende 2024, rund 57 % der Bevölkerung | 4.557.471 Katholikinnen und Katholiken, Anteil rund 49,6 % |
| Wirtschaftliche Bedeutung | Diözesane Einnahmen von rund 129 Mio. Euro plus starke Sozial- und Bildungsträger | 6,65 Mrd. Euro Wertschöpfung, 158.000 Beschäftigte im Umfeld der Kirche |
Fazit
Die Kirchenaustritte Steiermark spiegeln einen breiten gesellschaftlichen Wandel wider. Die Zahlen gehen zwar zurück, bleiben aber hoch genug, um Strukturen, Finanzkraft und Selbstverständnis der Kirche nachhaltig zu verändern. Der Rückgang der Kirchenmitgliedschaft passiert nicht abrupt, sondern über viele Jahre. Er ist Ergebnis von Entfremdung, veränderten Wertvorstellungen, finanziellen Überlegungen und der kritischen Auseinandersetzung mit institutionellen Fehlentwicklungen.
Gleichzeitig bleibt die katholische Kirche ein gewichtiger Akteur in der Steiermark und in Österreich. Sie betreibt Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, soziale Dienste und kulturelle Einrichtungen. Studien zeigen, dass sie damit einen relevanten Beitrag zu Beschäftigung, Wertschöpfung und Steuereinnahmen leistet. Diese wirtschaftliche Rolle steht in einem Spannungsverhältnis zu den sinkenden Mitgliederzahlen, die die langfristige Finanzierung über den Kirchenbeitrag herausfordern.
Für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Kirche ergibt sich daraus eine doppelte Aufgabe. Zum einen geht es darum, die Ursachen von Kirchenaustritten ernst zu nehmen und Anknüpfungspunkte für Glauben, Gemeinschaft und gesellschaftliches Engagement neu zu gestalten. Zum anderen muss die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur, die durch kirchliche Träger bereitgestellt wird, nachhaltig gesichert werden – sei es durch interne Reformen, neue Finanzierungsmodelle oder Kooperationen mit öffentlichen und privaten Partnern. Wie gut dieser Spagat gelingt, wird entscheidend dafür sein, welche Rolle die Kirche in der Steiermark in den nächsten Jahrzehnten noch spielt.
Passende Artikel:
Industrie 4.0 im steirischen Maschinen- und Anlagenbau
Die 10 reichsten Steirer und wie sie so reich wurden
Martin Bartenstein Vermögen: Einblicke in das Vermögen des ehemaligen Industrieministers
Wolfgang Leitner und das Vermögen des Grazers
Stefan Pierer Vermögen: Das beeindruckende Finanzimperium des österreichischen Unternehmers
Wichtiger Hinweis: Die Inhalte dieses Magazins dienen ausschließlich Informations- und Unterhaltungszwecken und besitzen keinen Beratercharakter. Die bereitgestellten Informationen waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell. Eine Garantie für Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit wird nicht übernommen, jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung dieser Inhalte ist ausgeschlossen. Diese Inhalte ersetzen keine professionelle juristische, medizinische oder finanzielle Beratung. Bei spezifischen Fragen oder besonderen Umständen sollte stets ein entsprechender Fachexperte hinzugezogen werden. Texte können mithilfe von KI-Systemen erstellt oder unterstützt worden sein.
